Flaggen der Mitgliedstaaten vor dem NATO-Hauptquartier in Brüssel: Seit der Gründung 1949 sind 32 Staaten dem transatlantischen Bündnis beigetreten. Foto: NATO

Flaggen der Mitgliedstaaten vor dem NATO-Hauptquartier in Brüssel: Seit der Gründung 1949 sind 32 Staaten dem transatlantischen Bündnis beigetreten. Foto: NATO

03.04.2024
Von Yann Bombeke

75 Jahre NATO: Bündnissolidarität und glaubhafte Abschreckung

Am 4. April 1949 riefen zwölf Staaten die NATO ins Leben, um den Westen vor einer immer bedrohlicher auftretenden Sowjetunion zu schützen – heute muss das Bündnis angesichts der russischen Aggression in der Ukraine mehr denn je geschlossen auftreten.

„To keep the Russians out, the Americans in and the Germans down” – dieses Zitat wird Lord Hastings Ismay zugeschrieben. Der Brite war der erste Generalsekretär der NATO (North Atlantic Treaty Organization) und beschrieb damit lakonisch die Funktion des westlichen Bündnisses, das am 4. April 1949, vor 75 Jahren, ins Leben gerufen wurde.

Während der letztgenannte Punkt – „keep the Germans down“, also die Deutschen niederhalten – noch der damaligen zeitlichen Nähe zum Ende des Zweiten Weltkrieges und des Nazi-Regimes geschuldet war, hat die übrige Aussage Ismays kaum an Aktualität eingebüßt. Denn nach wie vor geht es darum, Russland draußen zu halten, es abzuschrecken, es daran zu hindern, in seinem expansionistischen Drang auf NATO-Gebiet vorzustoßen. Das war 1949 mit Blick auf die stalinistische Sowjetunion nicht anders als 2024 mit Blick auf Putin-Russland. Und es geht heute vielleicht mehr denn je darum, die USA im Bündnis zu halten – denn die mögliche Wiederwahl von Donald Trump schürt Ängste um die Zukunft der NATO.

Es fällt daher nicht leicht, den aktuellen Zustand des Bündnisses zu beschreiben. Man kann durchaus von der stärksten NATO aller Zeiten sprechen: Mit dem Beitritt Finnlands und Schwedens zählt die NATO inzwischen 32 Mitglieder – bei der Gründung 1949 waren es lediglich zwölf. Deutschland trat übrigens 1955 dem Bündnis bei – was nur zehn Jahre nach Ende des von ihm verantworteten Krieges alles andere als eine Selbstverständlichkeit war.

Die größte NATO aller Zeiten

Russlands Präsident Wladimir Putin, der seinen völkerrechtswidrigen Überfall auf die Ukraine zum Teil auch damit begründete, das westliche Bündnis von den russischen Grenzen fernzuhalten, hat nach dem Beitritt Finnlands nun eine über 1.300 Kilometer längere Grenze zum NATO-Gebiet. Und mit Schweden hat ein zuvor traditionell neutraler Staat den Weg ins Bündnis gefunden, der mit seinen leistungsstarken Streitkräften einen erheblichen Beitrag zur Kontrolle des Ostseeraums bereitstellt. Und doch kommen angesichts einiger Äußerungen von Donald Trump Zweifel auf, ob das fundamentale und seit 75 Jahren geltende Grundprinzip des immer wieder mal totgesagten transatlantischen Bündnisses, nämlich die Verpflichtung aller Mitglieder, sich im Falle einer militärischen Bedrohung gegenseitig zu helfen, noch funktioniert. Würden die von Trump geführten Vereinigten Staaten auch einem Staat wie Litauen oder Rumänien helfen, wenn dieser durch Russland in Bedrängnis gerät? Oder gilt der (atomare) Schutzschirm der USA nur für jene Mitglieder, die in der Wahrnehmung der US-Administration einen ausreichenden Beitrag zur kollektiven Sicherheit leisten?

Bereits Putins Vorgehen hat das Prinzip der gegenseitigen Abschreckung, die über die Jahrzehnte des Kalten Krieges funktionierte, erschüttert. Damals hielten sich beide Blöcke, die NATO auf der einen und der 1955 gebildete Warschauer Pakt auf der anderen Seite, in einem Gleichgewicht des Schreckens gegenseitig in Schach. Ein Angriff auf den Gegner hätte unvermeidlich zu einem vernichtenden nuklearen Gegenschlag geführt. Nun aber hat Putin mit dem russischen atomaren Schutzschirm im Rücken einen atomwaffenfreien Staat angegriffen. Seine Botschaft, nein, seine ständig wiederholte Drohung: Wer die angegriffene Ukraine unterstützt, muss mit Atomschlägen rechnen. Eine Form der Erpressung, die, wenn sie aus russischer Sicht erfolgreich verläuft und Schule macht, das Zeug hat, die gesamte globale Sicherheitsarchitektur zu erschüttern.

Umso wichtiger ist es daher, dass die NATO auch in den kommenden Jahren so geschlossen auftritt, wie es in den vergangenen Jahrzehnten der Fall war. Dazu gehört auch, dass alle Mitgliedstaaten unabhängig vom Getöse eines US-Präsidentschaftskandidaten ihren ausreichenden Beitrag zur kollektiven Sicherheit leisten. Denn nur so kann gewährleistet werden, dass das Grundprinzip der Solidarität und des gegenseitigen Beistandes – und damit der glaubhaften Abschreckung – weiter funktioniert.

Mehr über die aktuellen Herausforderungen der NATO erfahren Sie in den kommenden Tagen auf unserer Homepage.

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